Mensch-Welt-Beziehung, Hamburg 2017: „It is complicated“

April 16, 2017

„Demokratisiert die Globalisierung“, schreibt Prof. Henrik Müller im Manager-Magazin. Er legt differenziert dar, dass nationalistische Strömungen eine Herausforderung darstellen für die erforderlichen Lösungen globaler Probleme, dass aber auch überstaatliche Politik sich dem Bürger annähern muss, um vertrauensfähig zu werden. Oder idealerweise sogar vom Bürger ausgehen müsste.
Das können wir beim bevorstehenden G20-Gipfel im Sommer in Hamburg ja schon mal üben. Da passt es doch gut, dass parallel auch die Frauen (W20) und die Jugend (Y20) ihren „Gipfel“ bekommen. Und die Wissenschaft (Science, S20, mit dem Schwerpunkt globaler Gesundheit), die Gewerkschaften (Labour, L20) , die Wirtschaft (Business, B20), die Berater (Think Tanks, T20) , und last but not least die Zivilgesellschaft (Civil, C20).
Das mutet beeindruckend inklusiv an und man hat vielleicht erst mal das Gefühl, dass da eigentlich „alle“ (insbesondere alle „Global Citizens“) mit am Tisch sitzen.
Doch das scheinen nicht alle so zu sehen. Sonst bräuchte es ja eigentlich keinen Alternativgipfel, keinen „Solidarity Summit“. Und keinen Protest (der sich allerdings nicht P20 nennt, sondern „G20-Protest“). Und erst recht bräuchte es keine gewaltsamen Aktionen, teils schon durchgeführt, teils angekündigt oder befürchtet.
Der Protest jedenfalls, von rechts und von links, hat vielleicht auch etwas mit dem zu tun, was Prof.Bofinger, immerhin einer unserer fünf Wirtschaftsweisen, schreibt: Entschädigt die Verlierer der Globalisierung!
Aber leider passiert, was meistens passiert: die Gegner und Kritiker werden in Presse und Öffentlichkeit allzu leicht in einen Topf geworfen. Wie in der ZEIT von Jens Jessen (16-2017, „Was wollen die Gegner des G20-Gipfels“), der eigentlich nur die Gewalt anschaut und G20-Gegnern pauschal „Untertanen-Mentalität“ zuschreibt – verkennend, dass es unter den kritischen Perspektiven enge, prä-moderne, dogmatisch-traditionelle, destruktive, aber auch weite und herzvolle, intelligent-postmoderne, konstruktive Perspektiven gibt. Was beileibe nicht 1:1 mit rechts versus links gleichzusetzen ist.
Diese fehlende Differenzierung zwischen dem Präkonventionellen und dem Postkonventionellen können wir entwicklungstheoretisch eine „pre-trans-fallacy“ oder Prä-Trans-Verwechslung nennen. Im Themenfeld Globalisierung kommt ihr (und der Unkenntnis dieses Phänomens) immer wieder eine große Bedeutung zu, beispielsweise auch in der Diskussion um Freihandelsverträge. Merke: auch Kritik an Kritik kann höheres oder niedrigeres Niveau haben.
Also insgesamt ein deprimierender Perspektiven-Salat?
Noch dazu unproduktiv und UNO-schwächend, so dass man ihn besser abschaffen würde, wie Hr.von Larcher sagt, ehemalig Bundestagsmitglied und SPD-Politiker und aktuell Attac-Mitglied?
Es kommt darauf an, woran man das Ereignis messen möchte.
Bei aller Mühsal solcher Veranstaltungen: wir, alle Beteiligten und alle Beobachtenden, trainieren hier unseren übernationalen Kommunikations- und Kooperationsmuskel. Das ist im Antropozän generell eine extrem gute Idee.
Und wenn wir genug trainieren, bekommen wir bald vielleicht sogar etwas wie globale Kooperation und Nachhaltigkeit hin!
Und vielleicht sogar mit einer bürger-zentrierten Strategie wie Simpol.